Buchlesung und Diskussionsrunde mit Ulrike Herrmann

Der Saal im Gemeindehaus Mühlbach war bis auf den letzten Platz besetzt.

Hier unser Bericht zur Veranstaltung:

Spannender Vortrag der Bestsellerautorin Ulrike Herrmann

Am Do, den 27.04.24, veranstaltete die Energie-Initiative Rhön und Grabfeld e.V. (EIRG) im Gemeindehaus Mühlbach einen Info-Abend mit Diskussion rund um die Themen Klimaschutz, Energiewende, Wirtschaftswachstum mit der aus Funk und TV bekannten Bestsellerautorin Ulrike Herrmann.

Nachdem der 1. Vorsitzende der EIRG, Christof Helfrich, die 200 Besucher im vollbesetzten Gemeindehaus begrüßt und seine Freude über die Anwesenheit der viel beschäftigten Wirtschaftsjournalistin und Buchautorin Ulrike Herrmann zum Ausdruck gebracht hatte, stellte er die Ziele und Aktivitäten des Vereins vor.

Anschließend führte Vorstandsmitglied Reinhold Pitz-Janssen in das Thema des Abends ein. Die Klimaerwärmung breche einen Rekord nach dem anderen. Es sei allerhöchste Zeit, Lösungen zu finden und zu handeln, um diesen dynamischen Prozess aufzuhalten und den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Erde zu hinterlassen.

Die zentrale Frage unserer Zeit sei, wie sich nachhaltiger Klima- und Umweltschutz im Rahmen unseres auf Wachstumszwang basierten Wirtschaftssystems in einer Demokratie realisieren lasse.

Genau dieser Frage ginge der jüngste Bestseller von Frau Herrmann mit dem provokanten Titel „Das Ende des Kapitalismus – Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden“ nach.

In ihrem darauf folgenden Vortrag stellte Frau Herrmann zunächst die Entwicklung zur Industrialisierung und die Entstehung des Kapitalismus dar. Dieser habe uns Wachstum, Wohlstand und Demokratie gebracht, andererseits kollidiere sein Wachstumszwang mit den begrenzten Ressourcen unserer Erde. Schon jetzt konsumierten Deutsche, Österreicher und Schweizer, als könnten sie drei Planeten verbrauchen, US-Amerikaner, Kanadier und Australier verprassten bereits fünf Planeten. Der Kapitalismus folge damit der Logik einer Krebszelle. Er müsse unaufhörlich wachsen und zerstöre damit erst seine Umwelt – und dann sich selbst.

Auch „grünes“ Wachstum sei keine Lösung, um die gesetzlich festgeschriebene Klimaneutralität für Deutschland bis 2045 zu erreichen. Dies sei anhand von aktuellen Studien und Hochrechnungen zum notwendigen Energiebedarf und zum erforderlichen Ressourcenabbau sowie dem damit verbundenen CO2-Ausstoß nachzuweisen.

Neue Technologien zur C02-Reduktion wie z.B. das Absaugen der Moleküle aus der Luft und Pressung in den Boden oder die Filterung der CO2-Emissionen seien nicht geeignet, da sie nicht effektiv genug seien und für ihren Einsatz selbst große Mengen an Energie benötigten.

Die Menschheit sei gezwungen, auf die Erzeugung von Energie aus fossilen Brennstoffen zu verzichten und Ökoenergie zu nutzen. Die Erzeugung von Atomstrom sei keine Perspektive, da Neubauten komplex, zeitaufwendig und teuer seien. Die weltweit vorhandenen ca. 440 Meiler erzeugten nur 5% des globalen Energieverbrauchs. Um fossile Brennstoffe zu ersetzen, müssten weltweit aktuell 15000 neue Reaktoren gebaut werden. Hinzu kämen die bekannten Probleme der Endlagerung radioaktiven Materials und die Erschöpfung der Uranvorräte innerhalb von 13 Jahren. Neue Meiler kämen in jedem Fall zu spät, um den Klimakollaps abzuwenden.

Auch der Import von mit Solarpaneelen erzeugtem Wüstenstrom sei problematisch, da er für den Transport erst einmal durch Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt werden müsse und dabei 30% des Stroms verloren gingen. Außerdem funktioniere diese Technik nur mit Süßwasser, das es in Wüsten aber nicht gäbe. Habe der Wasserstoff Deutschland erreicht, müsse er wieder in Strom umgewandelt werden, wodurch nochmals 40% der Energie verloren gingen.

Das Potential der Biomasse, die zur Zeit noch 10% zur Stromerzeugung beisteuere, sei begrenzt, da die Flächen fehlten und diese für Nahrungsmittel benötigt würden. Auch die Wasserkraft sei ausgereizt.

Somit verblieben nur Solarpaneele und Windturbinen zur Ökostromerzeugung. Zusätzlich seien Speicher in großem Umfang erforderlich, da nachts die Sonne nicht scheine und auch nicht immer der Wind wehe. Speicherbatterien und die Umwandlung des Stroms in Wasserstoff seien jedoch sehr teuer, so dass die Energiewende insgesamt sehr teuer werde. Dass wir mit der Energiewende aber noch absolut am Anfang stünden, zeige der aktuelle Anteil der Stromerzeugung aus Windkraft (ca. 6%) und der Solarpaneele (ca. 3%) am deutschen Endenergieverbrauch.

Mit Ökostrom lasse sich also nur ein Bruchteil der bisher benötigten Mengen herstellen. Auch eine grüne Wirtschaft müsse laut Frau Herrmann demzufolge schrumpfen.

Die Chemieindustrie mit ihrem riesigen Strombedarf müsste erheblich schrumpfen. Ein Teil könnte ins sonnenreiche Ausland verlegt werden, weil dort der Ökostrom günstiger sei. Von der Autoindustrie bliebe wenig übrig, da der Individualverkehr viel zu energieintensiv sei. Weiterhin habe auch der Flugverkehr keine Zukunft. Neubauten seien auch nicht mehr möglich, da die Baubranche nicht auf Beton verzichten könne und der Boden nicht weiter versiegelt werden dürfe. Etwa 7% aller weltweit emittierten Treibhausgase stammten aus der Zementindustrie. Bestehender Wohnraum müsse umverteilt werden. Nur noch eine einzige Branche könne und solle expandieren, die Ökoenergie.

Um einen Klimakollaps zu verhindern, müsse sofort gehandelt werden. Mit heutigen technischen Möglichkeiten lasse sich nicht genug billige Ökoenergie gewinnen, um grünes Wachstum zu befeuern. Dauerhaftes Schrumpfen des Kapitalismus führe zu einem chaotischen Zusammenbruch. Davon seien auch die Banken betroffen, da sie kaum noch Kredite vergeben und viele Schuldnerkredite nicht mehr getilgt werden könnten. Lebensversicherungen würden obsolet, da Überschüsse nur aus Gewinnen erzielt werden, die es nicht mehr gäbe. Ebenso verlören Aktien und Ersparnisse einen Großteil ihres Wertes.

Gesucht wird also eine Idee, wie sich die Wirtschaft schrumpfen lasse, ohne dass Chaos ausbreche.

Frau Herrmann sieht die britische Kriegswirtschaft ab 1939 als historisches Bsp. dafür, wie sich eine klimaneutrale Welt geordnet anstreben ließe. Die Briten befanden sich unfreiwillig in einer Notsituation, ähnlich wie wir heute im Klimawandel, da sie nicht darauf vorbereitet waren, in den Krieg einbezogen zu werden. Sie waren gezwungen, ihre normale Wirtschaft stark herunter zu fahren, um freie Kapazitäten für die Herstellung von Militärgütern zu schaffen. Das verordnete Programm zur Rationierung lebenswichtiger Konsumgüter war ein großer Erfolg, da alle Briten gleich behandelt wurden und trotz Rationierung gut lebten.

Ohne Verbote und Rationierung werde es auch bei der Bewältigung des Klimawandels nicht gehen, es koste Opfer, eine ökologische Kreislaufwirtschaft aufzubauen. Nur Verzicht sichere das Überleben.

Der Verbrauch müsse drastisch sinken, wenn das Klima gerettet werden solle. Wenn der Wohlstand um die Hälfte sinken würde, wären wir immer noch so wohlhabend wie im Jahr 1978. Die Klimakrise würde sich nur bewältigen lassen, wenn der Staat eingreife und rationiere. Natürlich würde es nichts nützen, wenn Deutschland alleine schrumpfe. Die G20-Länder, die zusammen 86% des CO2 emittieren, müssten an einem Strang ziehen und freiwillig auf Wachstum verzichten – oder die Zeit des Wachstums ende später gewaltsam, weil die Lebensgrundlagen zerstört seien. In jedem Fall werde der Kapitalismus untergehen, so Frau Herrmann, und eine neue Wirtschaftsordnung entstehen, die sich am besten als „Überlebenswirtschaft“ bezeichnen ließe.

Im Anschluss an den 50-minütigen Vortrag von Frau Herrmann wurde von der Möglichkeit, Fragen zu stellen, rege Gebrauch gemacht. Die Besucher fanden die Veranstaltung sehr informativ und aufschlussreich.